Herausforderung Fahrzeugdiagnose
In den folgenden Kapiteln erhalten Sie einen Überblick über Diagnosesysteme in Fahrzeugen. Sie sollten am Ende die Scheu vor Fachbegriffen wie ODX, OTX, MVCI, UDS, KWP 2000, ISOTP, CAN, FlexRay, LIN und vielen anderen verloren haben. Wir wollen Ihnen damit Ihren eigenen Weg durch den Dschungel der ASAM, ISO, SAE und Firmenstandards erleichtern.
Diagnosesysteme im Automobil |
Um das Autofahren immer sicherer, angenehmer und sauberer zu machen, werden immer mehr Elektroniksysteme eingesetzt. Die Diagnose solcher komplexen Systeme wird dadurch zu einer immer größeren Herausforderung.
Wenn man sich das prognostizierte Wachstum der Automobilelektronik über alle Märkte hinweg anschaut, dann ist zu erkennen, dass in Ländern in denen heute bereits eine hoher Ausstattungsgrad an Elektronikkomponenten vorhanden ist, immer noch ein Wachstum von 30 – 50 % für die nächsten Jahre prognostiziert wird. Während in Märkten, in denen der Ausstattungsgrad noch deutlich geringer ist, Wachstumsraten von teilweise über 100 % erwartet wird, siehe Abbildung.
Veränderungen in der Automobilindustrie – Marktvolumen und Wachstum in der Automobilelektronik |
Die treibenden Elemente dabei sind der Wettbewerbs- und Kostendruck und der Wunsch, das Fahrzeug immer individueller an den Kunden anzupassen. Es spielen wachsende Komfort- und Sicherheitsanforderungen sowie die Notwendigkeit Rohstoffe einzusparen und die Emissionen zu reduzieren eine große Rolle. Darüber hinaus beeinflussen neue Märkte, neue Kundengruppen, gesellschaftliche Entwicklungen und ein ganzes Bündel an gesetzgeberischen Randbedingungen die Entwicklung nachhaltig.
Die Elektrik/Elektronik erweist sich dabei immer mehr als die Schlüsseltechnologie. Man geht davon aus, dass in näherer Zukunft etwa ein Drittel der Produktionskosten eines Fahrzeugs auf die Elektronik entfallen.
Die Funktionalität wird dabei zunehmend in Software realisiert. Typischerweise werden heute neue Funktionen über mehrere Steuergeräte verteilt, sodass der Vernetzungsgrad zwischen den einzelnen Elektronikkomponenten eine immer größere Rolle spielt.
Wenn wir uns heute ein modernes Mittelklassefahrzeug anschauen, siehe Abbildung, dann haben wir schon in der Grundausstattung und erst recht in der Vollausstattung ein ganzes Bündel an Steuergeräten, die dieses Fahrzeug zum Fahren bewegen: Hier finden sich Grundsysteme wie Motorsteuerung, ABS, ESP etc., Komfortelektronik wie Licht- und Türsteuerung, Einparkhilfesysteme, Fahrerassistenzsysteme wie automatische Abstandsregelung, Spurwechselassistenten, Infotainmentsysteme wie Radio, Navigationssystem, Autotelefon und vieles andere mehr.
Dies alles wird vernetzt über eine ganze Reihe von Bussystemen. Dies ist notwendig, da zum einen die verschiedenen Bussysteme für unterschiedliche Aufgaben ausgelegt sind, da man zum anderen einzelnen Funktionalitäten aus Sicherheitsgründen gegeneinander abtrennen möchte und einfach deshalb, weil keines der heute vorhandenen Bussysteme alleine in der Lage ist, den Bandbreitenbedarf der gesamten Buskommunikation bereitzustellen.
Deutsches Mittelklasse Fahrzeug (Stand 2007) |
Nachfolgend sind die wesentlichen Aspekte zum aktuellen Stand und der Entwicklung der Elektronik im Fahrzeug aufgelistet:
- Bis zu 80 Steuergeräte, Tendenz sinkend ▼
- Mehr als 1000 Funktionen, Tendenz steigend ▲
- > 100 MB Speicherbedarf, 13% des Produktionswertes, Tendenz steigend ▲
- Hoher Vernetzungsgrad zwischen den Steuergeräten
- Bis zu 3 km Leitungslänge
- Heute bis zu 5 verschiedene Bussysteme (K-Line, CAN, LIN, MOST, FlexRay) , Tendenz sinkend ▼
- Insgesamt bis zu 20 Busse und Sub-Busse
- Buslast teilweise im Grenzbereich
Die heute bei modernen Oberklassefahrzeugen verwendeten über 80 Steuergeräte werden in Zukunft sicher nicht mehr in diesem Maße zunehmen. Man wird versuchen, durch höhere Integration eher mit etwas weniger auszukommen. Die Menge der Funktionalitäten wird jedoch zunehmen, die Menge an Software ebenfalls. Der Vernetzungsgrad zwischen den Steuergeräten wird ebenfalls weiter steigen. Vernetzungsgrad im Sinne von mehr Datenaustausch, sicher nicht im Sinne von mehr Bussystemen. Im Gegenteil: man wird eher versuchen, durch den Einsatz leistungsfähigerer Systeme die Menge an Bussystemen zu reduzieren. Jedoch die Buslast wird auch hier im Grenzbereich bleiben.
Herausforderung steigende Komplexität am Beispiel einer Fehlerwolke |
Die steigende Komplexität dieser Systeme macht sich am ehesten dann bemerkbar, wenn etwas nicht so funktioniert, wie es sein soll, siehe Abbildung. Ein Automobilhersteller berichtet beispielsweise folgendes: Wenn bei einem seiner Fahrzeuge ein Pin-Anschluss am Gateway-Stecker ausfällt, dann wird dies von vielen Steuergeräten erkannt, denn alle Steuergeräte überwachen die Buskommunikation. Es werden dann für nur eine Ursache insgesamt 38 Fehlermeldungen in 5 Steuergeräten generiert. Ein Mitarbeiter der Werkstatt ist unter Umständen überfordert, hier die richtige Lösung zu finden.
Steigende Komplexität – Lösungen |
Im Gegensatz dazu bezeichnet die Off-Board Kommunikation die Kommunikation der einzelnen Systeme mit einem System außerhalb des Fahrzeugs, dem so genannten Tester. Tester gibt es für die Werkstatt, die Produktion, die Applikation, die Entwicklung oder auch für den TÜV. Die in der obigen Abbildung dargestellte Grundstruktur hat sich heute in den meisten Fahrzeugen etabliert: Die verschiedenen Bussysteme im Fahrzeug sind über ein zentrales Gateway miteinander verbunden, an welches auch der Diagnosebus angeschlossen ist.